WhatsApp – Vom Nachrichtendienst zum Shopping-Kanal?

WhatsApp – Vom Nachrichtendienst zum Shopping-Kanal?

23. Juni 2021

Mona Wagner

WhatsApp Nutzerzahlen

Wer kennt sie nicht? Die Rede ist von Instagram, Facebook-Messenger, WhatsApp und Co. Messenger werden immer beliebter. Besonders WhatsApp ist gefragt. In der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen nutzt fast jeder (97 %) diesen Messengerdienst. Und auch bei den 30- bis 49-Jährigen greifen neun von zehn (93 %) zu WhatsApp. Aber WhatsApp ist nicht nur extrem beliebt. Der Messengerdienst wird auch stark genutzt. Jeder zweite User (52 %) verwendet die App fast täglich. Nicht nur für private Botschaften, sondern auch beruflich. Aber ist WhatsApp wirklich nur ein Nachrichtendienst? Eine kleine Story zeigt, dass WhatsApp-User den Messenger-Dienst schon lange nicht mehr nur zur simplen Übermittlung von Textnachrichten oder Bild-, Video- und Tondateien verwenden.  

Dirk nutzt keine E-Mail-Adresse

Bei meinem früheren Arbeitgeber lernte ich Dirk, 22, kennen. Als Praktikant hatte er kurz zuvor das Sales-Team verstärkt. Obwohl Dirk ein echter Computerfreak war, erfuhr ich beiläufig in einem Gespräch mit ihm, dass er keine eigene E-Mailadresse hatte. Für mich ein Ding der Unmöglichkeit. Später stellte sich allerdings heraus: Auch Dirk hatte einen E-Mail-Account, den er vor Jahren, noch als Schüler, angelegt hatte. Aber, da er dank Facebook, Instagram und Co. sein E-Mail-Postfach nicht nutzte, hatte er sein Passwort vergessen und sich auch nicht um ein neues bemüht. Ein E-Mail-Postfach brauchte Dirk nicht und zum Einloggen in die für ihn wichtigen Portale nutzte er bequem seinen Facebook- oder Instagram-Account. Falls eine Seite diese Accounts nicht akzeptierte, loggte Dirk sich mit WhatsApp ein. Denn diesen Messenger nutzte er täglich. Natürlich nutzte Dirk die App ausgiebig zum Versenden und Empfangen von Nachrichten, zum Bildertausch und zum Chatten mit seinen Freunden.  

Aber auch in anderen Bereichen außerhalb der Kommunikation mit Freunden kam WhatsApp bei Dirk zum Einsatz. Während ich den Kundenservice via E-Mail kontaktierte, verwendete Dirk bei Fragen zu Produkten WhatsApp. Denn so konnte er mit Unternehmen in direkten Kontakt treten. Während ich im Durchschnitt ca. 1 bis 2 Tage auf die Antwort des Kundenservice wartete, bekam Dirk seine Antworten fast in Echtzeit. Für ihn und für alle anderen WhatsApp-Nutzer und -Nutzerinnen ideal. Sie können in der App schreiben, in der sie auch mit ihren Freunden kommunizieren – einfach, unkompliziert und im direkten Austausch mit dem Unternehmen. Ein kleiner Wermutstropfen bleibt jedoch: Dirk kann sich zwar über WhatsApp über Produkte informieren und sich beraten lassen. Für den Zahlungsverkehr muss er aber auf ein anderes Medium wechseln. 

WhatsApp Pay auf dem Vormarsch Richtung Shopping

Dass das besser gehen kann, zeigt WhatsApp Pay, das in Indien und Brasilien seit 2018 als Beta-Version zur Verfügung steht, besser gesagt „stand“. Denn in Brasilien musste WhatsApp den Dienst zunächst aus wettbewerbsrechtlichen Gründen wieder stoppen. Also wird es sicherlich noch einige Zeit dauern bis diese App auch in Deutschland oder Europa den Zahlungsverkehr erleichtert. Aus User-Sicht superpraktisch und mit kaum Zeitaufwand verbunden, da sie meistens ohnehin schon die App benutzen. Durch WhatsApp Pay können sich User Kleinbeträge im privaten Alltag gegenseitig zusenden. Aber auch für kleine und große Unternehmen ist die App ein idealer Service, um Kunden eine mobile Bezahlmethode anzubieten. 

So kann das Shopping im WhatsApp-Chat aussehen: 

Messengerdienste – Customer Centricity als Schlüssel zum Erfolg

Zweifellos entwickeln sich WhatsApp und die anderen Messenger-Dienste mehr und mehr zu einer echten Konkurrenz für E-Mail, Social Media und klassische Webseiten. Bereits 2014 sagte der britische Guardian voraus, dass WhatsApp in Zukunft zum wichtigsten Kundenservice-Kanal wird. Was naheliegt; denn nicht alleine das Produkt, sondern vor allem der direkte Kontakt zum Kunden und das Eingehen auf seine individuellen Erwartungen, Wünsche und Bedürfnisse führt zum Erfolg und zu höheren Umsätzen. Bei dieser Kundenzentrierung oder Customer Centricity kann WhatsApp seine Trumpfkarte ausspielen. Die Beratung des Kunden, nähere Erklärungen zu Produkten oder das Eingehen auf Reklamationen – alles ist in Echtzeit und im direkten Chat per Messenger möglich. Ohne lästigen und zeitraubenden E-Mail-Verkehr.

Diese Echtzeitinteraktion zwischen Kunden und Unternehmen über technische Mittel, wie bspw. Messaging-Diensten, Digitale Sprachassistenten und Chatbots, hebt den elektronischen Handel auf ein neues Level. Aus E-Commerce wird Conversational Commerce, kurz „C-Commerce“, mit weitaus mehr Möglichkeiten zur nachhaltigen Kundenbindung durch bessere User Experience. Wobei bei der Kundenkommunikation bereits ein einfacher Messenger Chatbot eine wertvolle Unterstützung ist, läuft doch durch diesen Bot der Dialog zwischen Kunde und Unternehmen noch direkter ab. Gleichzeitig entlastet er das Serviceteam durch automatisierte Antworten auf immer wiederkehrende Fragen (FAQs). Zu anspruchsvolle Fragen, die der Chatbot nicht beantworten kann, leitet er an einen kompetenten Berater oder eine kompetente Beraterin weiter. So ermöglicht der stets aktive Bot ohne zusätzliches Personal einen Rund-um-die-Uhr-Support. Falls gewünscht auch in mehreren Sprachen. Ausgerüstet mit den entsprechenden Antworten und den dazu passenden Produktempfehlungen aus dem Online-Shop wird aus dem Service-Bot ein Umsatz steigernder Shopping-Bot.  

Vorteile WhatsApp als Verkaufskanal

Die Vorteile liegen auf der Hand: Conversational Commerce erweitert die Zielgruppe. Laut dem Digital 2021 Germany Report sind die aktivsten E-Commerce-Shopper in der Altersgruppe zwischen 45 und 54 Jahre zu finden. Während diese Zielgruppe Social Media weniger beansprucht, nutzt die überwiegende Mehrheit, nämlich rund 90 Prozent, WhatsApp. Daher kann diese Altersgruppe über WhatsApp gezielt angesprochen werden. 

Eigene Darstellung: Vorteile WhatsApp als Verkaufskanal

Eine Zielgruppe, die wie andere WhatsApp Nutzer bestimmte Kommunikationswünsche hat. Eine Umfrage von appinio ergibt, dass Online-Shopper folgende Ansprüche an das Shoppen per WhatsApp stellen: 65 Prozent der WhatsApp-Chatter möchten Kundenservice und Reklamationen über WhatsApp abwickeln. 50 Prozent wünschen die Möglichkeit, den Bestellstatus über die App zu erhalten. 40 Prozent würden den Messenger für Beratung zu Produkten wählen. Und fast jeder Dritte (28 %) möchte seine Online-Bestellung über WhatsApp aufgeben. Diese Befragung verdeutlicht die Bedeutung von WhatsApp für die Kundenbeziehung. Jede Unterhaltung mit dem Unternehmen, die vom Kunden positiv wahrgenommen wird, dient dem Unternehmen und dem Umsatz. Zugleich wird der Kunde zum Micro-Influencer und Markenbotschafter, der seiner Familie, seinen Freunden und Bekannten von seiner positiven Erfahrung erzählt und im besten Fall als Word-of-Mouth-Marketing das Unternehmen authentisch weiterempfiehlt. 

Ausblick

Messenger-Dienste wie WhatsApp mit denen von ihnen gebotenen Möglichkeiten besitzen das Potenzial, unser bisheriges Online-Shopping auf ein neues Level zu heben. Durch Echtzeitkommunikation, Chatbots oder leichter Bedienbarkeit werden Kundenwünsche erfüllt und der Kunde verstärkt in den Mittelpunkt gerückt. Gleichzeitig erhält das Unternehmen durch diese verstärkte Fokussierung auf die Kunden die Chance, höhere Umsätze zu erzielen. Grundvoraussetzung für eine reibungslose Customer Journey ist jedoch, dass künftig auch die Bezahlung der gekauften Ware direkt über den Messenger erfolgen kann. Dass dies möglich ist, zeigt der chinesische Messenger WeChat mit seinem Bezahldienst WeChat Pay. Mit WhatsApp Pay existiert ein vergleichbarer Dienst, der allerdings in Europa noch nicht verfügbar ist. Die Einführung steht jedoch bevor.  

Unternehmen sind gut beraten, sich frühzeitig, am besten schon jetzt mit den Chancen des Shoppings über Messenger-Dienste auseinanderzusetzen. Denn wie gezeigt findet Handel künftig nicht nur stationär und in Online-Shops statt, sondern auch im Messenger. Sollte bereits ein Online-Shop vorhanden sein, besteht oft die Möglichkeit, diesen über eine Schnittstelle an den Messenger anzubinden, um schnell und bequem den Kunden den Warenkorb, Informationen zum Lieferstatus, aber auch die Bezahlung per Messenger bereit zu stellen.