9. März 2020
Marieke Dörschner
Im Scrum Guide sprechen Ken Schwaber und Jeff Sutherland vom Scrum Master als Coach im Hinblick darauf, dass er das Team zu Selbstorganisation und funktionsübergreifender Teamarbeit coacht sowie beim Arbeiten und der Einführung von Scrum in Teams und Organisationen als Coach unterstützt. Doch wie genau muss man sich den Begriff des Coaches eigentlich vorstellen und wieviel Coach darf oder muss ich als Scrum Master denn sein? Das sind Fragen, die mich in meiner täglichen Arbeit beschäftigen und die ich an dieser Stelle teilen möchte.
Der Begriff des Coaches wird mittlerweile inflationär genutzt und ist sicherlich in unterschiedlichen Zusammenhängen anders zu verstehen. In meinem Verständnis hat der Begriff zwangsläufig immer eine stark empathische Komponente, bei der vor allem der Mensch im Fokus steht. Hintergrund dafür ist die Tatsache, dass ich selber eine systemische Coaching Ausbildung gemacht habe und dementsprechend Coaching aus diesem Blickwinkel verstehe und nutze.
Wie würde ich also den Begriff des Coaches beschreiben? Ein Coach nimmt eine unterstützende Position gegenüber dem Einzelnen oder einem Team in herausfordernden Situationen jeglicher Art ein. Dabei ist er kein Berater und gibt Ratschläge aus seinem eigenen Erfahrungsschatz frei nach dem Motto „Bei mir hat das so immer super funktioniert…“, sondern er geht davon aus, dass die Lösung für jedes Problem oder Anliegen in einem Menschen selber verankert ist, lediglich den Weg zu finden, ist häufig schwierig.
Vor diesem Verständnis ist das beste Mittel eines Coaches gezieltes Fragen und vor allem Zuhören: Zuhören, um dem Gegenüber das Gefühl zu geben, sich verstanden zu fühlen, sich öffnen zu können und ehrlich über ein mögliches Anliegen sprechen zu können. Gezielte Fragen stellen, um ein Nachdenken oder Umdenken beim Gegenüber zu erzeugen und ihn aus dem gedanklichen Problemtunnel wenn möglich heraus zu locken.
Betrachte ich meine tägliche Arbeit mit den Mitgliedern eines Teams, dann sind es genau diese zwei Methoden, die ich ständig anwende und als Basis meines Handelns in der Rolles des Scrum Masters sehe.
In unterschiedlichen Arbeitssituationen, wie Veränderungen jeglicher Art, Konflikten oder Kommunikationsproblemen bemühe ich mich immer wieder, die Teammitglieder auf diese Weise in ihrem Handeln und Denken nicht stillstehen zu lassen, sondern Bewegung und Veränderung zu erzeugen, in dem ich ihnen ein Gegenüber zum Reflektieren und Spiegeln anbiete. Durch meine Ausbildung helfen mir gerade die systemischen Fragetechniken dabei: Fragen nach Ausnahmen, wie „Wo hat es denn schon mal funktioniert? Und wie war das?“, Fragen nach einer anderen Instanz, wie „Wie würde das XY denn gerade sehen?“ oder auch Fragen nach Ressourcen, wie „Was gelingt dir denn gerade gut? Und wie kann man diese Kompetenz nutzen?“ sind genau die hilfreichen Anstöße, die die Ausrichtung des Befragten nach vorne in Richtung Lösung bringen.
„Lösung“ ist hier genau das Stichwort, es bringt häufig nichts, sich beispielsweise in Konflikten ewig durch den Warum-Strudel zu arbeiten, viel wichtiger ist es zu schauen, wo wir jetzt stehen und wie wir gut weitergehen und die Situation verbessern können. Genauso wenig nutzt es dem Team immer nur nach hinten zu schauen und zu überlegen wie viel besser alles vor der eingetretenen Veränderung war, sondern es lohnt sich Ansätze zu finden, wie die positiven Aspekte dieser Änderung weiter ausgebaut und produktiv angegangen werden können. Ich reihe mich hier also in die Reihe der Befürworter des Lösungsorientierten Ansatzes, ebenfalls zum systemischen Ansatz gehörend, und nicht in den Problemorientierten Ansatz.
Meine größte Herausforderung ist es dabei die Balance zu halten und nicht Kummerkasten für jegliche Probleme und ständiges Jammern zu werden, sondern auch Grenzen zu setzen und durch den Coachingansatz die Team Mitglieder zu fordern, bewegen und somit weiterzubringen.
Natürlich gehören noch so viel mehr Anforderungen zur Rolle des Scrum Masters, jedoch erlebe ich diesen Coaching Anteil als sehr präsent und besonders entscheidend für meine Arbeit. Besonders in konfliktären oder aufwühlenden Phasen ist genau diese Kompetenz von mir gefragt und stark in Anspruch genommen.
Und noch ein Buchtipp zum Thema: „Agile Teams lösungsfokussiert coachen“ von Veronika Katrba und Ralph Miarka!