2. Juli 2020
Marieke Dörschner
Zusammen mit Scrum Mastern und Agile Coaches aus dem Großraum Köln haben wir uns in einem unserer letzten Networking Events die Frage gestellt, wie genau das Konzept einer agilen Organisation eigentlich funktionieren kann. Wie könnten die ersten Schritte aussehen? Was kann hilfreich und hinderlich sein? Und wie können Scrum Master in diesem Prozess unterstützen bzw. welche Aufgaben kommen dieser Rolle zu?
Herausgekommen sind viele wichtige und gute Punkte, die wir absolut teilenswert finden.
Im Gegensatz zu klassischen Projektmanagement-Methoden legt das agile Konzept oder Mindset großen Wert auf Eigenverantwortung der Mitarbeiter, Transparenz, ständige Überprüfung und Verbesserung der eigenen Arbeit, Fokus und Mut. Im optimalen Fall gibt es innerhalb der Teams keine hierarchischen Strukturen und keine top-down Verteilung von Aufgaben. Besonders dieses Prinzip erfordert bei Mitarbeitern und Führungspersonen, die bis jetzt gegenteilig oder anders gearbeitet haben, eine große Umgewöhnung.
Agiles Arbeiten in der Softwareentwicklung ist sicherlich nicht mehr wegzudenken, aber auch viele weitere Bereiche und Branchen zeigen Interesse und versuchen ihre Prozesse umzustellen. Wichtig ist es jedoch, sich als Organisation die Frage zu stellen: Warum wollen wir agil arbeiten? Was ist unser Ziel und was versprechen wir uns von dieser Umstellung? In diesem ersten Prozess können Agile Coaches bereits durch ihre Expertise unterstützen und dabei helfen, die richtigen Fragen zu stellen und sich zu fokussieren.
Auf der einen Seite sollte das jeweilige Produkt oder auch mögliche Kunden betrachtet werden, um festzustellen, ob ein Shift in das agile Arbeiten Sinn stiftet und den Output fördert. Auf der anderen Seite ist aber auch die interne Firmen- und Arbeitskultur unter die Lupe zu nehmen: Welche Kultur herrscht aktuell in der Organisation? Welche Form ist überhaupt denkbar und wie kann eine neue Form aktiv vorgelebt werden?
Sollte ein solcher Prozess zu dem Ergebnis führen, lieber nicht agil zu arbeiten, dann ist das vermutlich auch eine gute und vollkommen gerechtfertigte Antwort, denn eins sollte immer klar sein: Agil heißt nicht gleich einfach und unkompliziert, es birgt ebenso Probleme, hohe Anforderungen und die Einhaltung von Regeln. Besonders die Einführung einer neuen Arbeitsweise bringt erhöhtes Konfliktpotenzial mit sich.
Entscheidet sich die Organisation nach der Prüfung dieser Fragen für den agilen Weg, so sind eine klare Vision und ein Ziel unglaublich wichtig: Wo soll die Reise hingehen und wie sieht unser Zielbild aus? Der Weg dahin sollte sicherlich auch erstmal Spielraum zum Probieren und vor allem zum Fehler machen geben, das Ziel muss jedoch allen Beteiligten klar sein.
Angekommen bei der Entscheidung agile Arbeitsweisen einzuführen und sich als Organisation agil aufzustellen und auszurichten, beginnt die eigentliche Herausforderung vermutlich erst. Aus den Erfahrungen unserer Netzwerkrunde gibt es sicherlich unterschiedliche Ansätze und Vorgehensweisen, jedoch auch bestimmte Eckpunkte, die immer beachtet werden sollten und deren Wirkung als besonders hoch in einer Transition angesehen werden kann:
Nicht nur die Mitarbeiter gehen in einen Veränderungsprozess, sondern die gesamte Organisation. Mitarbeiter sämtlicher Hierarchiestufen sind von diesem Wandel betroffen und müssen gemeinsam diesen Weg gehen, womit einhergeht, dass gerade Führungskräfte eine erhebliche Vorbildfunktion haben. Besonders im Vorleben einer guten Fehlerkultur kann viel Vertrauen und Commitment der Mitarbeiterschaft gewonnen werden. Hier anzumerken ist auch das Konzept der psychologischen Sicherheit, je stärker Teams und Mitarbeiter dieses Konzept erleben, umso eher werden sie eine Veränderung dieser Art proaktiv und engagiert mitgehen.
Kommunikation über alle Ebenen und Abteilungen sollte stark gefördert und angetrieben werden. Besonders hier können Scrum Master und Agile Coaches unterstützen, indem sie Methoden aufzeigen zur gezielten und transparenten Kommunikation. Auch Einzelgespräche mit Mitarbeitern, ständiges erneutes Erklären und Abholen sind wichtig, damit die gesamte Belegschaft mitgenommen und keiner abgehängt wird.
Veränderungsprozesse dauern und brauchen Zeit und auch dieser Faktor sollte immer bewusst sein. Ein Unternehmen wird nicht innerhalb von 4 Wochen zu einer agilen Organisation. Mag sein, dass einzelne Prozesse geändert wurden, dass ein Team mal beginnt in Sprints zu arbeiten und dass ein Product Owner innerhalb eines Teams eingesetzt wird – diese Schritte haben aber noch wenig mit einer wirklich agil arbeitenden Organisation zu tun. Alte Strukturen abzulegen, Dinge, die man immer so gemacht hat, anders zu machen, Denkweisen neu zu strukturieren und zu hinterfragen, braucht einfach Zeit und genau diese Zeit sollte auch eingeplant werden.
Planungen machen Sinn, aber bitte realistisch! Anknüpfend an den Faktor Zeit muss ein Verständnis dafür geschaffen werden, welche Schritte in welcher Zeit überhaupt möglich sind. Manchmal können es vielleicht auch sehr kleine Schritte und Veränderungen sein, die auf lange Zeit viel Auswirkung und hohes Potenzial haben. Absolut abhängig von der Organisation und der bestehenden Kultur können individuelle Vorgehensweisen für den Veränderungsprozess erarbeitet werden. Auch um hierbei ein richtiges Maß zu finden, können Scrum Master unterstützen und beraten.
Eine Transition hin zu einer neuen Arbeitsweise kann mühsam sein. Einige Mitarbeiter werden den Weg eventuell nicht mitgehen, Frust kann entstehen und Unzufriedenheit. Es ist hilfreich, früh positive Erfahrungen zu schaffen. Selbst kleine Erfolgserlebnisse motivieren und stärken das Durchhaltevermögen nicht nur für die Teams, sondern auch für Managementebenen. Auch deshalb ist es hilfreich, in kleinen Schritten zu denken und nicht zu schnell zu viel zu wollen.
Fasst man es in drei Eigenschaften zusammen, die ein Scrum Master mitbringen sollte, besonders wenn es um die Anfänge einer agilen Organisation geht, so sind sicherlich Geduld, Grenzen setzen und Struktur zuerst zu nennen. Egal ob extern eingekaufter Agile Coach, der den Veränderungsprozess konkret antreiben und begleiten soll, oder intern angestellter Scrum Master, der von innen heraus diese Prozesse zum agilen Mindset stetig unterstützt und im Blick hat – ein langer Atem, Geduld und Durchhaltevermögen sind unabdingbar. Gleichzeitig sind dieser Rolle aber auch Grenzen gesetzt, nicht jeder aufkommende Konflikt liegt in ihrer Verantwortung und muss geheilt werden, nicht alle werden mit einem Lächeln nach Hause gehen und das ist auch ok. Ständige Begleitung, Coaching und Motivation können vermutlich nur gut geleistet werden, wenn auch persönliche Grenzen bewusst gezogen sind.
Ganz bewusst wurde bis jetzt noch von keinem Framework wie Scrum oder Kanban gesprochen, denn welche Wahl hier getroffen wird, ist erstmal zweitrangig. Wichtig ist es, im gesamten Prozess Strukturen aufzuzeigen, bei der Findung unterstützend tätig zu sein und vor allem einen Weg und Prozess zu finden, der individuell zu dieser Organisation passt. Ihr findet unser Scrum Master Networking auf XING, das nächste Event wird am 22. Juli stattfinden:
https://www.xing.com/communities/groups/scrum-master-networking-piazzablu